Lars David Kellner

Die Süddeutsche Zeitung über Lars David Kellner: "Versiert auf vielen Klaviaturen"

Süddeutsche Zeitung

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Tastenkünstler, welche die ganze Klaviatur der Spielkunst beherrschen wollen, brauchen nicht nur manuelle Fähigkeiten. Ein geübter Umgang mit dem Pedal ist unabdingbar, das gilt für den Flügel, aber noch mehr für die Orgel und ganz besonders für das Harmonium. Lars David Kellner, Konzertpianist mit einem Faible für Tasteninstrumente jeglicher Art, hat sich in den vergangenen Jahren entsprechend feine Füße antrainiert und auch Tricks, diese in die richtige Position zu bringen.

Bevor der 45-Jährige sich an das Kunstharmonium im Betsaal des Kleinen Theaters Haar setzt und seine Hände über die Tasten gleiten lässt, zieht er sich flache Ballettschühchen an, damit er beim Pedalspiel mit den Knien nicht ständig oben anstößt. Seit etlichen Jahren gibt Kellner auf diesem Instrument, dessen Charakteristikum nicht zuletzt eine Winddruckteilung ist, die mit Kniehebeln gesteuert wird, Konzerte hier in Haar - regelmäßig in der Vorweihnachtszeit und am Karfreitag.

An diesem Karfreitag (Beginn 17.30 Uhr) wird er in dem hübsch ornamentierten Jugendstilraum im ersten Stock mit der Flötistin Katalin Remitzky Werke von Max Reger spielen - Reger, der wie Kellner selbst, aus Weiden stammt und auch Stücke für Harmonium komponiert hat. "Es ist ein Tasteninstrument, das atmet", sagt Kellner mit Zuneigung. "Man steuert die Windzirkulation selbst." Der Musiker hat hier mit seinen Füßen ziemlich viel Einfluss: Er kann die Dynamik gleichsam atmen lassen. Die Virtuosität der Hände ist natürlich auch gefordert, man müsse beim Harmonium etwa gut binden, sonst werden Melodiebögen schnell löchrig. "Erst am Harmonium wird deutlich, ob man wirklich Legato spielen kann", sagt Kellner.

Der Oberpfälzer (...) versteht sich als Tastenkünstler im weiteren Sinne. Er hat etwa die Reihe "tastenReich" initiiert, bei der er mit musikalischen Mitstreitern Konzerte gibt, auf denen neben Klavier, Orgel und Harmonium außergewöhnliche Instrumente wie Toy Piano, Celesta oder andere Metallophone zum Einsatz kommen - und die entsprechende Literatur gewürdigt wird. "Es gibt qualitativ hochwertige Musik, die auf dem Abstellgleis ist, und die es wieder zu entdecken gilt."

Kellners pianistische Karriere ist gekennzeichnet von seinem Faible für Romantiker und Spätromantiker, er zeichnet für diverse Ersteinspielungen und Uraufführungen von Kompositionen Leoš Janáčeks verantwortlich und schätzt besonders das Liedwerk Sergei Rachmaninows. Kürzlich ist eine CD erschienen mit Spätwerken von Franz Liszt - tief religiöse Stücke wie "Via Crucis: Les Stations de la Croix" (Die 14 Stationen des Kreuzwegs). "Ich beschäftigte mich gerne mit transzendenten Inhalten. Es ist eine reduzierte, sehr ehrliche Musik", urteilt Kellner.

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Kellner ist einer, der sehr genau hinschaut, egal in welchem Metier er sich bewegt. Was die Musik betrifft, treibt ihn intellektuelle und künstlerische Neugier, er will tief in Stücke eintauchen, unbekannte Kompositionen und vergessene Instrumente ans Licht zu bringen, Klänge mit Texten kombinieren. Dass der in München lebende Kellner, der auf seiner Homepage Rachmaninows Satz "Es gibt genug Musik fürs Leben, aber nicht genug Leben für die Musik" zitiert, genügend Zeit findet, zwei so fordernde Professionen zu verfolgen, ist verblüffend. "Ich bin sehr effizient in dem, was ich mache", erklärt Kellner, der einen ernsthaft-freundlichen Eindruck vermittelt, dessen graublaue Augen aber auch ab und zu verschmitzt blitzen.

Nun, in jedem Fall findet der multitalentierte Mann auch noch Zeit, als freier Mitarbeiter an der Zoologischen Staatssammlung München in der Abteilung für Mollusken mitzuwirken, darüber wissenschaftliche Artikel in Fachzeitschriften zu veröffentlichen und nebenbei eine neue Schneckenart zu entdecken, die er nach Rachmaninow benannt hat. "Meine Liebe zu Schnecken und Muscheln habe ich schon früh entdeckt", sagt er schmunzelnd. Kellner ist zuversichtlich, auf seinen kommenden Expeditionen weitere neue Arten zu entdecken. Die würde er dann nach Janáček oder Reger benennen.

Udo Watter, Süddeutsche Zeitung